Der Himmel über Wuppertal

Der Film „Pina“, den Wim Wenders nach dem Tod der Wuppertaler Choreografin Pina Bausch nun nicht mehr „über sie, sondern für sie“ gedreht hat, wäre zu ihren Lebzeiten so gar nicht möglich gewesen. Denn die Tänzerinnen und Tänzer des Tanztheaters Wuppertal sagen in wenigen Worten mehr über Bausch, als sie jemals über sich selbst preisgegeben hätte. Dabei erzählen die Tänzer eigentlich nur von sich selbst. Aber in dem, was Pina Bausch zu ihnen gesagt hat, liegt genau das, was das Tanztheater Wuppertal einzigartig und damit in der ganzen Welt berühmt gemacht hat.

Wim Wenders mag es bedauern, dass er so lange gezögert hat, diesen Film zu drehen – ganze 20 Jahre lang. Was fehlte, war die zündende Idee, wie man einen Tanzfilm so umsetzen kann, dass er mehr als eine Dokumentation wird. Die verbesserte 3D-Technik war dann das entscheidende Moment, auf das der deutsche Filmemacher so lange gewartet hat. Mit Pina Bausch besprach er noch, welche ihrer Stücke gezeigt werden sollten, dann wollte er die Tournee des Tanztheaters Wuppertal nach Südamerika und Asien begleiten. Doch im Juni 2009 starb die Choreografin und mit ihr zunächst auch der Film.

Doch mit „Pina“ als Reduktion auf die Tänzerinnen und Tänzer und die Bausch-Choreografien zeigt sich, dass der Film auch ohne die Gründerin für sich stehen kann. Hinzu kommen grandiose Aufnahmen von Wuppertal und Umgebung sowie vom Ruhrgebiet, die zeigen, dass hier eben keine „Sonntagsstädte“ sind, wie Pina Bausch selbst einmal sagte. Aber sie zeigen auch, warum sie sich hier so entfalten konnte – mehr als vielleicht in einer Weltstadt wie Paris, wie Wenders vor der Filmpremiere betonte.

Das lange Zögern Wenders, einen – diesen – Tanzfilm zu drehen, hat sich im Nachhinein ausgezahlt: Die Tanzsequenzen im herkömmlichen 2D wären eine schöne Dokumentation gewesen, in 3D bringen sie einem die Tänzer so nah, wie man ihnen im Theater nie kommen würde. Schweiß, Dreck, Muskeln und das Zucken der Augen und Münder erlebt man so hautnah, dass es einen wortwörtlich berührt. Tanzszenen werden nicht gezeigt, sondern ihnen wird Leben eingehaucht. Damit dürfte Wenders dann auch einen Maßstab für künftige Tanzfilme gesetzt haben. Denn getanzt wird viel in „Pina“, ganz nach ihrem eigenen Motto „tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren“. Wobei: Verloren? Nein, ganz sicher nicht nach diesem Film. Und so hat ihn Wenders nach eigenen Angaben auch nicht nur für die gedreht, die Wuppertal und sein Tanztheater kennen.

Wuppertal habe den „Schatz“ Tanztheater Pina Bausch 30 Jahre lang gehütet, sagte Wenders ebenfalls vor der Filmpremiere. Nun hat er ein Kleinod geschaffen, das es wiederum zu bewahren gilt – mit allen Erinnerungen, die daran hängen, aber auch mit allem Elan, das Tanztheater ohne seine Gründerin fortbestehen zu lassen. Dass das möglich ist, zeigt der Film ebenfalls.

Einen Wermutstropfen gibt es dann aber doch: Die 3D-Brillen, wenn auch schon aus Plastik statt wie früher aus Pappe, sind nicht eben komfortabel und passen in Universalgröße nicht jedem, schon gar nicht Brillenträgern. Aber daran wird bis zum nächsten Tanzfilm sicherlich auch noch gefeilt.

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