Verdrängtes Leben

Oft meint man, schon alles über die Zeit des Nationalsozialismus‘ gelesen zu haben – und dann kommt doch wieder eine neue Sichtweise um die Ecke, die man bisher nicht kannte. So geschehen bei dem Buch „Parnassia“ von Josha Zwaan.
Darin wird die Geschichte von Rivka erzählt, die zu Anneke wurde und erst ganz spät wieder zu ihrem eigenen Ich zurückfindet. Dazwischen liegt ein Leben, in dem von außen alles stimmt, doch in der Innenansicht rein gar nichts – was dann auf schmerzliche Weise auch zum Vorschein kommt.
Doch fangen wir vorne an: Rivka ist die Tochter eines jüdischen Ehepaars im Holland des Nationalsozialismus. 1942 ist der Familie klar, dass die Repressalien gegen Juden wohl immer schlimmer werden würden. Also schickte sie die beiden Kinder, die fünfjährige Rivka und den älteren Simon, getrennt voneinander zu christlichen Familien, die ihnen als Schutz vor den Nazis eine neue Identität geben.
So weit, so gut. Doch wie weit darf das neue Leben in die Seele so junger Menschen eingreifen? Wie sehr darf man die Vergangenheit der Kinder verdrängen? Was am Anfang richtig war, damit sich das Kind im ländlichen Pfarrershaus nicht selbst verrät, wird nachher zum Problem, denn Rivka verschwindet auch nach dem Krieg immer mehr hinter Anneke. Das geht so weit, dass sich das Kind gegen den Vater und Bruder entscheidet, die den Krieg und die Lager überlebt haben – und für das christliche Pfarrerspaar.
Die Verleugnung der eigenen Vergangenheit bricht jedoch spätestens dann auf, als Anneke ihren späteren Mann kennenlernt, einen Juden, der als einziger seiner Familie den Holocaust überlebt hat. Doch Anneke hat nichts anderes gelernt, als zu leugnen, die eigene Geschichte zu verdrängen – weil ihre Pflegeeltern ihr das so beigebracht haben und sie nach dem fünften Lebensjahr mit dem Glauben erzogen wurde, dass nur die eigene Religion die richtige ist.
Doch das führt bei Anneke dazu, dass sie im Laufe ihres weiteren Lebens weder sich selbst noch ihren Mann und ihre Kinder lieben kann und diese schließlich verlässt. Dass ihr Mann an den Erlebnissen im und den Erinnerungen ans Konzentrationslager zu zerbrechen droht, treibt sie noch weiter von allem weg. Erst die Beerdigung des Vaters ihrer Kinder lässt sie wieder zu sich selbst kommen. Meine Empfehlung: lesen!

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