Studium Generale hat so einen Klang von Mittelalter, von Zeiten, in denen man zwar bereits studieren konnte, die Aufteilung in die unzähligen heutigen Fakultäten aber noch unbekannt war. Und tatsächlich gab es an den ersten Universitäten gerade einmal vier Fächer, die allerdings recht breit aufgestellt waren: Dazu zählen die Freien Künste (inklusive Grammatik, Dialektik und Rhetorik sowie darauf aufbauend Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik), die Theologie, die Jurisprudenz und die Medizin.
Und nun bietet die Bergische Universität Wuppertal seit diesem Wintersemester wieder ein Studium Generale an. Angesprochen werden sollen damit nicht nur (neue) Studenten, sondern auch Gasthörer und ältere Semester, die gerade ein Seniorenstudium begonnen haben. Das Studium Generale ist das erste Ergebnis des gerade neu gegründeten Zentrums für Weiterbildung, das vor allem dem Ziel des lebenslangen Lernens gewidmet ist.
Ähnlich wie im Mittelalter bilden die Geistes- und Naturwissenschaften den Mittelpunkt, aber die Moderne lässt sich eben auch im Studium Generale nicht aufhalten: So kommen die Bereiche Kultur-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaft sowie Technik hinzu. Die Theologie ist sowohl in katholischer als auch evangelischer Auspägung mit dabei, ebenso wie die Musik. Auf Medizin und Jura hat man allerdings verzichtet, musste es mangels Angeboten in Wuppertal wahrscheinlich auch.
Aber auch die Intention des Aufbaus ist eine ähnliche wie bei den Universitäten ab dem 13. Jahrhundert: Weil das Wissen damals wie heute schnell wuchs und wächst, galt und gilt es, dem etwas Übergeordnetes, das Spezialwissen Einordnendes entgegenzusetzen – oder auch damit zu ergänzen. Denn neben all der Fachkenntnis geht es nach Angaben von Zentrumsleiter Norbert Koubek um den Erwerb fächerübergreifender Kompetenzen, darum, Orientierung zu geben, aber auch Anregungen zur Erweiterung der eigenen Interessen.
Inhaltlich greift das Vorlesungsprogramm überwiegend auf das bestehende Lehrangebot zurück, aber es wurden auch eigene Veranstaltungen für das Studium Generale konzipiert. Natürlich darf bei dieser Auswahl an der Wuppertaler Uni kein Seminar von und mit Eckhard Freise fehlen, Deutschlands erstem Fernseh-Millionär und Professor für Mittelalterliche Geschichte. In die Sendung „Wer wird Millionär?“ kam er aufgrund seiner Allgemeinbildung – und so bietet er nun auch folgerichtig die Vorlesung „Die Kultur der Allgemeinbildung“ an, ergänzt durch die Vorlesung „Kulturtechniken und Kompetenzen“. Das dürfte ein schöner Schlusspunkt unter seine seit 1996 währende Zeit in Wuppertal werden, denn Freise ist bereits emeritiert. Aber vielleicht ist gerade dieses Studium Generale auch sein zukünftiges Steckenpferd im Ruhestand? Wundern würde mich das nicht.
Weiter geht es mehr oder weniger kunterbunt: von der Artusdichtung zur modernen Lyrik nach 1945, von der Mathematikgeschichte zur Architektur, von der Theorie der Risikogesellschaft zur Wettbewerbsglobalisierung. Es wird Einblicke in Design und Fremdsprachen, Soziologie, Politikwissenschaft und Sozialpsychologie geben – und in Form von Ringvorlesungen mit Gastprofessoren wird die Medizin mit dem Thema „Zeit der Krankheiten, Krankheiten der Zeit“ und die Rechtswissenschaft mit der Frage „Ist Michael Kohlhaas ein Terrorist? Recht und Gewalt bei Heinrich von Kleist“ dann doch immerhin gestreift. Ganz aktuell wird es im Seminar „Wutbürger oder Protestbürger? Ursachen, Motive, Themen und Wirkungen der „neuen“ Protestbewegung“.
Alles mitzunehmen wird nicht nur die Zeit, sondern auch das Denkvermögen der meisten sprengen – meines in jedem Fall. Aber ein Blick in das Vorlesungsverzeichnis auf den Internetseiten der Uni lohnt allemal, um sich die eigenen Höhepunkte herauszufischen.